Erbrecht: Auswirkungen einer Demenzerkrankung auf die Nachfolgeplanung

Wie wirkt sich eine Demenzerkrankung auf die Nachfolgeplanung aus?

An Demenz erkranken Menschen typischerweise in einem höheren Alter. Mit einer steigenden Lebenserwartung rückt die Gefahr einer Demenzerkrankung zunehmend in den Vordergrund. Darf ein Demenzkranker noch sein Testament widerrufen? Und dürfen Schenkungen trotz der Erkrankung vorgenommen werden?

Wirkt sich eine Demenzerkrankung auf die Geschäftsfähigkeit aus?

Eine Demenzerkrankung kann sich auf die Geschäftsfähigkeit auswirken! Nach § 104 Nr. 2 BGB ist geschäftsunfähig, wer sich in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befindet, sofern der Zustand nicht nur vorübergehend ist.

  • Soweit die Demenz bereits fortgeschritten ist, ist die Geschäftsfähigkeit in der Regel nicht mehr gegeben.

Die fehlende Geschäftsfähigkeit kann sich ebenfalls auf die Testierfähigkeit und die Ehegeschäftsfähigkeit auswirken:

  • Nach § 2229 Abs. 4 BGB ist die Testierfähigkeit nicht gegeben, wenn eine krankhafte Störung der Geistestätigkeit, eine Geistesschwäche oder Bewusstseinsstörung vorliegt, die dazu führt, dass die Bedeutung einer abgegebenen Willenserklärung nicht erfasst werden kann. Das Testament ist in diesem Fall unwirksam.
  • Die Testierfähigkeit ist entweder zu bejahen oder zu verneinen. Der Schwierigkeitsgrad des Testaments hat auf die Bewertung keinen Einfluss.
  • Nach § 1304 BGB kann nur eine geschäftsfähige Person die Ehe eingehen. Da die Eheschließungsfreiheit im Grundgesetz zugesichert wird, kann die Ehegeschäftsfähigkeit nur unter engen Voraussetzungen abgesprochen werden. Im Falle einer Demenzerkrankung wird das regelmäßig bejaht.

Die betroffene Person gilt jedoch so lange als geschäftsfähig, testierfähig und ehegeschäftsfähig, bis das Gegenteil bewiesen wurde. Bloße Zweifel reichen nicht aus!

Kann eine bereits an Demenz erkrankte Person ein Testament errichten?

Eine Demenz vermutet noch keine Testierunfähigkeit – stets ist die Einsichts- und Handlungsfähigkeit auf Grundlage des gesamten Verhaltens und des Gesamtbildes der Persönlichkeit zu prüfen –, bei (fortgeschrittener) Demenz steigt jedoch die Wahrscheinlichkeit, dass Testierunfähigkeit vorliegt.

 In der Rechtsprechung wird unter Testierfähigkeit die Fähigkeit verstanden, ein Testament zu errichten, abzuändern oder aufzuheben. Testierfähigkeit setze die Vorstellung des Testierenden voraus, dass er ein Testament errichte und die Kenntnis darüber, welchen Inhalt die darin enthaltenen letztwilligen Verfügungen aufweise. Der Testierende müsse in der Lage sein, sich ein klares Urteil zu bilden, welche Tragweite seine Anordnungen hätten, insbesondere welche Wirkungen sie auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Betroffenen ausübten.

Wer testiert, muss also wissen,

(1) wer er ist,

(2) dass er etwas letztwillig übertragen will,

(3) wem er etwas hinterlassen möchte und

(4) was wer erhalten soll

Ob tatsächlich eine Testierunfähigkeit vorliegt kommt immer auf den Einzelfall an. Im Frühstadium mit ersten Vergesslichkeiten und Ähnlichem spricht man von „mild cognitive impairments“, soweit noch keine kognitiven oder sonstigen Funktionsstörungen des Gehirns vorliegen. Erst ab der mittelschweren Form kommt nach herrschender Meinung eine Geschäfts- und Testierunfähigkeit in Betracht.

Gerade im Fall einer sich langsam entwickelnden Demenz wird es lange Übergangszeiten geben, in denen die Rechtsprechung zwischen geschäftsfähig oder geschäftsunfähig entscheiden muss.

Eine an Demenz erkrankte Person darf, nachdem die Erkrankung mit Gewissheit feststeht, weder ein einzelnes Testament noch ein gemeinschaftliches Testament errichten. Ein Ehevertrag kann ebenfalls nicht mehr errichtet werden.

Kann eine demenzkranke Person ein Einzeltestament widerrufen?

  • Der Widerruf eines Testaments ist in jeglicher Art und Weise nur möglich, wenn der Erblasser testierfähig ist.
  • Der Widerruf über einen Vertreter ist ebenfalls nicht möglich, da der Erblasser das Testament nur höchstpersönlich widerrufen kann.

Kann ein gemeinschaftliches Testament widerrufen werden?

  • Der Widerruf eines gemeinschaftlichen Testamentes ist nicht möglich.
  • Der Widerruf über einen Vertreter ist ebenfalls nicht möglich, da der Erblasser nur höchstpersönlich widerrufen kann.
  • Der nicht erkrankte Ehepartner kann allerdings wechselbezügliche Verfügungen gegenüber dem dementen Gatten widerrufen. Wechselbezüglich ist eine Verfügung, wenn sie derart mit der Verfügung eines anderen verbunden ist, dass nicht anzunehmen ist, dass sie ohne diese getroffen worden wäre. Der Widerruf muss gegenüber dem gesetzlichen Vertreter oder gegenüber dem Vorsorgebevollmächtigten erklärt werden.

Kann ein Ehevertrag trotz einer Demenzerkrankung angefochten werden?

  • Die Anfechtung kann durch einen Betreuer des Demenzkranken vorgenommen werden, soweit das Betreuungsgericht dies genehmigt hat.
  • Die Anfechtungserklärung bedarf der notariellen Beurkundung.

Sind Schenkungen trotz einer Demenzerkrankung möglich?

Schenkungen können in bestimmten Fällen durch den Betreuer vorgenommen werden. Zulässig sind Ausstattungen, Anstandsschenkungen und Gelegenheitsgeschenke.

  • Eine Ausstattung ist gemäß § 1624 BGB,was einem Kind mit Rücksicht auf seine Verheiratung, auf seine Begründung einer Lebenspartnerschaft oder auf die Erlangung einer selbstständigen Lebensstellung zur Begründung oder zur Erhaltung der Wirtschaft oder der Lebensstellung von dem Vater oder der Mutter zugewendet wird. Vermögensteile können auch unter die Ausstattung fallen, wenn sie in Anbetracht der Vermögensverhältnisse der Eltern üblich sind.
  • Eine Anstandsschenkung liegt vor, wenn die Schenkung nach der Anschauung, welche in den sozialen Kreisen des Schenkenden vorherrscht, nicht entfallen könnte, ohne dass der Schenkende an Ansehen verliert. Hohe Vermögenswerte können im Rahmen einer Anstandsschenkung unentgeltlich zugewendet werden, wenn das Vermögen des Schenkenden dadurch nicht sonderlich gemindert wird. Betriebs- oder Hofübergaben können je nach den sozialen Gegebenheiten ebenfalls zulässig sein.
  • Ein Gelegenheitsgeschenk liegt vor, wenn es dem Wunsch der betreuten Person entspricht, die Zuwendung zu machen und sie nach dessen Lebensverhältnissen üblich ist. Der Wunsch muss von dem Betreuten in irgendeiner Weise geäußert worden sein. Die Schenkung ist regelmäßig zulässig, wenn sie sich mit dem Verhalten des Betroffenen vor der Demenzerkrankung deckt.

Kann das Erbe für einen dementen Erben ausgeschlagen werden?

Ja! Sowohl der Vorsorgebevollmächtigte als auch der Betreuer können das Erbe für die erkrankte Person ausschlagen.

Was sollte bei der Nachfolgeplanung unbedingt beachtet werden?

Um die rechtlichen Probleme, die durch eine Demenzerkrankung entstehen können, frühzeitig zu vermeiden, kann man einige Vorkehrungen treffen.

  • Eine Übertragung von Vermögen zu Lebzeiten kann bereits vorgenommen werden, wenn der Vermögensträger noch bei voller Gesundheit ist. Die Übertragung kann mit Widerrufsvorbehalten ausgestattet werden. Sollte es zu einer Geschäftsunfähigkeit des Vermögensträgers kommen, kann der Widerruf auch von anderen Familienmitgliedern oder Dritten vorgenommen werden.
  • Eine Öffnungsklausel in einem gemeinschaftlichen Testament oder in einem Erbvertrag kann den Fall der Geschäftsunfähigkeit eines Ehegatten regeln und dem gesunden Partner die Möglichkeit geben, auf die Erkrankung entsprechend zu reagieren.

Dr. Bettina Schacht

Rechtsanwältin
Fachanwältin für Erbrecht
Fachanwältin für Handels- und Gesellschaftsrecht 
Zert. Testamentsvollstreckerin 
Mediatorin