Zivilrecht: LG Göttingen zur Entschädigung von Netzstörungen

LG Göttingen zur Entschädigung von Netzstörungen

 

Es besteht ein Anspruch auf Entschädigung, wenn Mobilfunk zu Hause über mehrere Monate ausfällt.

Dieser Anspruch entfällt auch dann nicht, wenn der Kunde in anderen Funkzellen ungestört telefonieren kann und zu Hause Internet hat und darüber telefonieren könnte.

Im konkreten Fall hat ein Mann für sich, seine Frau und seine Tochter beim selben Anbieter Mobilfunkverträge abgeschlossen. Das Mobilfunknetz war in deren Haus mehrere Monate gestört und dafür forderte er 7500€ als Entschädigung. Das Landgericht Göttingen (LG Göttingen, Urt. V. 01.09.2023, Az. O 78/23) sprach ihm 2810,00 € zu.

Die Höhe der Geldbeträge beruhen auf § 58 III Telekommunikationsgesetz (TKG): Dieser gewährt einen Anspruch auf Entschädigung für jede nicht umgehend behobene Störung, die zu einem „vollständigen Ausfall des Dienstes“ führt. Dies ist lediglich dann nicht der Fall, wenn der Kunde die Störung selbst verschuldet hat.

Voraussetzung ist, dass der Kunde die Störung meldet. Ab dann hat der Anbieter zwei Tage Zeit, um die Störung zu beheben (sog. „Entstörung“). Unterbleibt eine Entstörung, hat der Kunde einen Geldanspruch in Höhe von 5,00 € für den dritten und vierten Tag und ab dem fünften Tag täglich in Höhe von 10,00 €.

Das Landgericht gab der Klage für den ersten Mobilfunkvertrag, der vom Vater geschlossen wurde, vollumfänglich für den Zeitraum 25.03. bis 31.12.2022 statt und gewährte ihm den besagten Betrag.

Als Begründung nannte das Landgericht, dass Telefonate und andere Dienste getrennt voneinander betrachtet werden müssen. Ein Dienst im Sinne des § 58 TKG ist nicht als „Gesamtheit der vertraglich geschuldeten Leistung“ zu verstehen, sondern handelt es sich dabei um die jeweilige einzelne Leistung, die vertraglich vereinbart ist. Allein die Möglichkeit, dass Datenoptionen und Telefonie beim Anbieter separat gebucht werden können, zeigt, dass es sich dabei um verschiedene Dienste handeln muss.

Die geschuldete Leistung eines klassischen Mobilfunkvertrags ist es auch, im Mobilfunknetz Telefonate tätigen zu können.

Außerhalb der eigenen Wohnung telefonieren zu können, kompensiert die Störungen nicht. Es ist erforderlich, überall und zu jeder Zeit telefonieren zu können. Insbesondere in der heutigen Zeit ersetzen Mobiltelefone oftmals Festnetzanschlüsse, weshalb die Möglichkeit der Nutzung für Telefonate zuhause besonders wichtig ist. Die Möglichkeit, zuhause über das Internet zu telefonieren, ist keine „im Wesentlichen gleiche Ersatzmöglichkeit“, die die Entschädigungspflicht entfallen lassen würde, wenn sie vom Anbieter bereitgestellt wird. Die WLAN-Versorgung ist nämlich nicht immer gleichmäßig oder zufriedenstellend im Haus und auch die Option, Notrufe
über WLAN- Anrufe zu tätigen, gibt es nicht bei jedem Anbieter.

Das Gericht gestattete dem Kläger lediglich eine Entschädigung für einen der drei Verträge: 2020 schloss der Kläger für seine Tochter einen Vertrag ab, Mitte Februar 2022 kam es bei ihr zu Netzwerkstörungen. Erst nachdem die Störungen aufgetreten sind, schloss er
jeweils für sich und für seine Frau weitere Verträge beim selben Anbieter ab und wollte schließlich auch für deren Verträge Netzwerkstörungen geltend machen, obwohl er diese zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses kannte.

Der Abschluss der letzten beiden Verträge ist laut Gericht ein Verstoß gegen § 242 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Nach Auffassung des Gerichts ist es nicht mit dem Sinn und Zweck der Entschädigungsregelung vereinbar, dass der Kläger mit positiver Kenntnis über die Netzwerkstörungen einen Vertrag beim selben Anbieter abschließt und dennoch eine entsprechende Entschädigung fordert. Der Kunde soll sich nicht durch die Entschädigungsregel bereichern können.

Der Familienvater war davon ausgegangen, dass die Entstörung zeitnah erfolgen sollte und schloss deshalb die beiden weiteren Verträge ab. Das Landgericht ist jedoch der Auffassung, dass man nicht auf eine umgehende Entstörung vertrauen kann, wenn eine Störung schon seit mehreren Wochen besteht, wie es im konkreten Streit der Fall war. Die Frage, ob in jedem Fall des Vertragsschlusses nach erstmaligem Auftreten einer Störung eine Treuwidrigkeit angenommen werden kann, hat das Gericht jedoch offengelassen.

Insgesamt scheint es dennoch ratsam, von weiteren Vertragsschlüssen abzusehen, wenn man bereits von Netzwerkstörungen bei diesem Anbieter weiß.

Verena Wittmann                                                                             

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