Arbeitsrecht: Probezeit im befristeten Arbeitsverhältnis

Arbeitsrecht: Probezeit im befristeten Arbeitsverhältnis

Bundesarbeitsgericht (BAG), Urteil vom 05.12.2024 – 2 AZR 275/25

 

Nach § 15 Abs. 3 TzBfG muss eine für ein befristetes Arbeitsverhältnis vereinbarte Probezeit im Verhältnis zur erwarteten Dauer der Befristung und der Art der Tätigkeit stehen.

Diese Neuregelung des § 15 Abs. 3 TzBfG wurde mit Wirkung zum 01.08.2022 in Umsetzung der Arbeitsbedingungen-Richtlinie (RL (EU) 2019/1152) beschlossen. Vor der Gesetzesänderung wurde bei befristeten Arbeitsverhältnissen – unabhängig von der Befristungsdauer – oft pauschal eine Probezeit von 6 Monaten vereinbart. Durch die Neufassung von § 15 Abs. 3 TzBfG können Probezeiten nicht mehr pauschal vereinbart werden, sondern müssen an der Befristungsdauer und der Art der Tätigkeit orientiert werden.

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) beschäftigte sich nun mit der Frage, ob die Vereinbarung einer Probezeit, die der Gesamtdauer des befristeten Arbeitsverhältnisses entspricht, unverhältnismäßig im Sinne der Vorschrift ist.

 

Zum Fall:

Der Kläger wurde zum 01.09.2022 beim Beklagten eingestellt. Nach § 1 des Arbeitsvertrages sollte die Einstellung bis zum 28.02.2023 zur Probe erfolgen und das Arbeitsverhältnis danach enden, ohne dass es einer Kündigung bedarf. In dem Falle, dass das Arbeitsverhältnis nach dem Ablauf der Probezeit fortgesetzt wird, solle es laut dem Arbeitsvertrag als auf unbestimmte Zeit begründet gelten. Des Weiteren war im Vertrag festgelegt, dass das Arbeitsverhältnis während der Probezeit beiderseits mit einer Frist von zwei Wochen schriftlich gekündigt werden kann. Mit Schreiben vom 28.10.2022 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 11.11.2022.

Daraufhin beantragte der Kläger, festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die ausgesprochene Kündigung des Beklagten nicht zum 11.11.2022 beendet worden ist, sondern darüber hinaus fortbesteht. Seiner Meinung nach sei die Kündigung unwirksam. Eine Kündigungsmöglichkeit sei nicht wirksam vereinbart worden und die im Arbeitsvertrag vereinbarte Probezeit stehe nicht im Verhältnis zu der erwarteten Dauer der Befristung und zur Art der Tätigkeit. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen.

 

Die Entscheidung des BAG:

Die Revision hatte teilweise Erfolg. Das BAG stellte fest, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung des Beklagten erst zum 30.11.2022, nicht bereits zum 11.11.2022, aufgelöst worden ist und hob das angefochtene Urteil insoweit auf.

Die Vereinbarung einer Probezeit von sechs Monaten in dem auf sechs Monate befristeten Arbeitsverhältnis verstoße gegen § 15 Abs. 3 TzBfG und sei daher unwirksam. Die Probezeit bei einem befristeten Arbeitsverhältnis dürfe jedenfalls ohne Hinzutreten von besonderen Umständen nach § 15 Abs. 3 TzBfG nicht der gesamten Befristungsdauer entsprechen.

Zwar enthalten weder § 15 Abs. 3 TzBfG, noch Art. 8 Abs. 2 S. 1 der Arbeitsbedingungen-Richtlinie eindeutige Regelungen zur zulässigen Dauer einer Probezeit im befristeten Arbeitsverhältnis. Jedoch ergebe sich bereits durch Auslegung des § 15 Abs. 3 TzBfG, wonach eine für ein befristetes Arbeitsverhältnis vereinbarte Probezeit „im Verhältnis“ zur Befristungsdauer stehen muss, dass die Probezeit nicht der gesamten Befristungsdauer entsprechen darf, da es bei gleicher Länge keines „Ins-Verhältnis-Setzens“ von Probezeit- und Befristungsdauer bedürfe.

Gegen die Möglichkeit, die Probezeit auf die gesamte Dauer des befristeten Arbeitsverhältnisses zu erstrecken, spreche außerdem der Normzweck von § 15 Abs. 3 TzBfG.

Die Unwirksamkeit der Probezeitvereinbarung lasse die in § 1 des Arbeitsvertrags vereinbarte ordentliche Kündbarkeit des Arbeitsverhältnisses (§ 15 Abs. 4 TzBfG) jedoch unberührt.

Nach der Auffassung des BAG kommt es für die Frage, ob bei einer unverhältnismäßig langen Probezeitvereinbarung das Recht zur ordentlichen Kündigung während der Befristung entfällt oder ob es mit den längeren gesetzlichen oder vertraglichen Fristen ausgeübt werden kann, auf die Ausgestaltung der Vertragsbedingungen im konkreten Fall an. Wenn neben oder in der Vereinbarung über die Probezeit eine sprachlich und inhaltlich unabhängige Abrede über die Kündbarkeit getroffen sei, bleibe deren Wirksamkeit unberührt. Im vorliegenden Fall sei eine solche Abrede getroffen worden.

Die Unwirksamkeit der Probezeitvereinbarung hatte im konkreten Fall zur Folge, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten nicht mit der verkürzten Frist des § 622 Abs. 3 BGB endete.  Die Kündigung konnte das Arbeitsverhältnis folglich zwar nicht zum 11.11.2022 beenden, jedoch konnte diese als ordentliche Kündigung zum nächstmöglichen Zeitpunkt mit der Frist des § 622 Abs. 1 BGB zum 30.11.2022 ausgelegt werden.

 

Fazit:

Mit dieser Entscheidung hat das BAG deutlich gemacht, dass Probezeit und Befristungsdauer in aller Regel nicht gleich lang sein dürfen. Offengelassen hat das BAG, nach welchen Grundsätzen sich das Verhältnis zwischen der Dauer eines befristeten Arbeitsverhältnisses und der vereinbarten Probezeit generell bestimmt. Dementsprechend bleibt es dabei, dass die Frage, welche Dauer der Probezeit im Sinne von § 15 Abs. 3 TzBfG verhältnismäßig ist, von den konkreten Umständen des Einzelfalls abhängt.

Zu empfehlen ist in jedem Fall, dass neben oder in der Vereinbarung über die Probezeit eine sprachliche und inhaltliche Vereinbarung über die Möglichkeit der Kündigung getroffen wird. Hierbei ist die Kündigungsfrist unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu vereinbaren.

Melanie Hummel

Fachanwältin für Arbeitsrecht

Ihre Anwältin für dieses Fachgebiet
Rechtsanwältin Melanie Hummel