Familienrecht: Anspruch eines Elternteils auf Übermittlung eines Fotos des Kindes
KG, Beschluss vom 10.01.2024 – 16 WF 72/22
In § 1686 BGB ist geregelt, dass jeder Elternteil vom anderen Elternteil bei berechtigtem Interesse Auskunft über die persönlichen Verhältnisse des Kindes verlangen kann, sofern dies dem Wohl des Kindes nicht widerspricht. Inhalt dieser „Auskunft“ kann auch die Überlassung eines Fotos des Kindes sein.
Das KG (Kammergericht als Oberlandesgericht von Berlin) setzte sich nun damit auseinander, ob bei entgegenstehendem Willen eines 12-jährigen Kindes der Anspruch eines Elternteils auf Übermittlung eines Kindesfotos ausgeschlossen ist.
Zum Fall:
Im zugrunde liegenden Sachverhalt beantragte der Vater einer 12-jährigen Tochter, die Kindesmutter zur Übermittlung eines aktuellen Fotos des gemeinsamen Kindes zu verpflichten. Die Tochter lebte im Haushalt der – vom Vater geschiedenen – Mutter und hatte seit mehreren Jahren weder Umgang noch Kontakt zum Vater.
Das Familiengericht wies den Antrag des Vaters zurück, da die Tochter geäußert hatte, dass sie auf keinen Fall mit der Weitergabe eines Fotos einverstanden sei.
Daraufhin wendete sich der Vater gegen den ablehnenden Beschluss des Familiengerichts.
Die Entscheidung des KG:
Das KG wies die Beschwerde des Vaters zurück und stellte fest, dass kein Anspruch auf Übermittlung eines Fotos aus § 1686 BGB besteht, da das Wohl der Tochter entgegensteht.
Das Selbstbestimmungsrecht des Kindes und seine Wünsche und Interessen seien zwingend zu berücksichtigen. Es habe eine Abwägung zwischen dem Informations- und Auskunftsrecht des Vaters (Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG) und dem Selbstbestimmungsrecht des Kindes (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) zu erfolgen. Im vorliegenden Fall überwiege laut dem Gericht das Selbstbestimmungsrecht der Tochter.
Zur Begründung führte das Gericht aus, dass ein Foto ein höchstpersönliches, streng privates Medium ist, über dessen Verwendung nach der Wertung von § 22 KunstUrhG nur der Berechtigte entscheiden dürfe.
Die Tochter wolle nicht, dass der Vater ein Foto von ihr erhält, da sie sich von ihrem Vater bedroht fühle und Angst habe, ihr Vater würde ihr etwas zu leide tun. Dieser objektiv nachvollziehbare und mehrmals deutlich geäußerte Wille wurde von dem 12-jährigen Kind autonom gebildet und müsse unbedingt berücksichtigt werden.
Des Weiteren sei zu beachten, dass die Tochter die bewusste Entscheidung getroffen hatte, keine Fotos in sozialen Netzwerken zu teilen. Daran werde klar, dass die Entscheidung des Kindes gegenüber dem Vater nicht willkürlich ist, sondern eine „allgemeine Linie“ darstellt.
Fazit:
Im Ergebnis besteht bei einem autonom gebildeten, deutlich geäußerten und gut objektiv nachvollziehbaren entgegenstehenden Willen des Kindes grundsätzlich kein Anspruch des Elternteils auf Übersendung eines Fotos des Kindes.
Im Hinblick darauf, dass Kinderfotos heutzutage oft von einem Elternteil oder vom Kind selbst in sozialen Netzwerken veröffentlicht werden, bleibt abzuwarten, welche Bedeutung dem Anspruch aus § 1686 BGB in Zukunft noch zukommt.
In Fällen, in denen etwa ein Kind selbst Fotos von sich in sozialen Netzwerken veröffentlicht, die für die Öffentlichkeit sichtbar sind, dürfte es schwierig sein zu begründen, weshalb es nicht damit einverstanden ist, wenn einem Elternteil Fotos übermittelt werden.
Stefanie Braun
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Erbrecht
Fachanwältin für Agrarrecht
Theoretischer Teil für Fachanwältin im Familienrecht
