Zivilrecht: BGH gibt „engen Verwendungsbegriff“ auf –
Familie erhält Erstattung ihrer Aufwendung nach Bau auf fremdem Grundstück aufgrund fehlerhafter Ersteigerung
Ein Fall, der jüngst breite mediale Aufmerksamkeit erregte: Eine Familie aus Brandenburg wehrte sich gegen den Abriss ihres Wohnhauses auf einem ersteigerten Grundstück. Der Bundesgerichtshof (BGH) stellte sich nun der Frage, ob der wieder aufgetauchte Eigentümer der Familie die Kosten für den Hausbau erstatten muss (BGH, Urteil vom 14.03.2025 – V ZR 153/23).
Zum Fall:
Der Kläger war ursprünglich Eigentümer eines Grundstücks in Brandenburg und auch als solcher im Grundbuch eingetragen. Ohne sein Wissen wurde eine Zwangsversteigerung des Grundstücks betrieben, wobei den Zuschlag im Jahre 2010 die Beklagte erhielt. Demzufolge wurde die Beklagte als Eigentümerin in das Grundbuch eingetragen. Sie ließ, gemeinsam mit ihrem Ehemann, das auf dem Grundstück befindliche Wochenendhaus abreißen und ein Wohnhaus errichten, welches die Eheleute ab 2012 mit ihren zwei Kindern bewohnten.
Auf Beschwerde des ursprünglichen Eigentümers hin – ein in der Schweiz lebender Amerikaner, der das Grundstück 1993 geerbt hatte und von der Zwangsversteigerung aufgrund eines Behördenfehlers nicht informiert wurde – wurde der Zuschlagsbeschluss 2014 rechtskräftig aufgehoben. Daraufhin verlangte er Rückgabe des Grundstücks. Er forderte, dass das Ehepaar das Grundstück räumt, das Wohnhaus auf eigene Kosten abreißt und für die Nutzung zahlt.
In den Vorinstanzen sprach das LG Potsdam dem Kläger lediglich Nutzungsersatz zu, wohingegen das OLG Brandenburg die Beklagten darüber hinaus zur Rückgabe und Räumung des Grundstücks sowie zum Abriss des Hauses verurteilte. Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten hin ließ der Bundesgerichtshof (BGH) die Revision zu.
Die Entscheidung des BGH:
Der BGH stellte fest, dass der ursprüngliche Grundstückseigentümer, der sein Eigentum aufgrund der nachträglichen Aufhebung des Zuschlagsbeschlusses nicht an das Ehepaar verloren hatte, zwar die Räumung und Rückgabe des Grundstücks (§ 1004 Abs. 1 S. 1 BGB und § 985 BGB) sowie Zahlung von Nutzungsersatz von der Familie verlangen könne.
Zum Abriss des Wohnhauses sei das beklagte Ehepaar, das von dem Behördenfehler nichts wusste, aber nicht verpflichtet.
Stattdessen müsse der Kläger dem Ehepaar die Baukosten für das errichtete Haus erstatten: Anders als das OLG sprach der BGH dem Ehepaar einen Anspruch auf Verwendungsersatz nach § 996 BGB zu und entschied, dass die Familie das Grundstück nur räumen und zurückgeben müsse, wenn ihr die Baukosten erstattet werden.
Auch wenn der Eigentümer das Wohnhaus nicht möchte, müsse er dafür zahlen, da eine objektive Wertsteigerung des Grundstücks durch die Bebauung vorliegt. Nach Ansicht des BGH sei für die nach § 996 BGB erforderliche Nützlichkeit der Verwendung allein auf die objektive Verkehrswerterhöhung, nicht auf die Werterhöhung für den Eigentümer abzustellen.
Um den Kläger zur Erstattung der Baukosten zu verurteilen, musste der BGH seine bisherige, seit langem umstrittene Rechtsprechung zum Verwendungsersatz aufgeben: Bisher vertrat der BGH den sog. engen Verwendungsbegriff, wonach sachändernde Aufwendungen, die ein Grundstück grundlegend verändern, keine Verwendungen darstellen und daher nicht ersatzfähig sind. Danach war der Hausbau auf fremdem Grundstück keine Verwendung und der Grundstückseigentümer damit nicht verpflichtet, Baukosten für ein errichtetes Haus zu erstatten.
In Abkehr von seiner bisherigen Rechtsprechung schloss sich der BGH in dem Urteil nun dem sog. weiten Verwendungsbegriff an, wonach auch grundlegende Veränderungen, wie der Neubau eines Hauses, noch ersatzfähige Verwendungen darstellen können.
Fazit:
Durch die Abkehr des BGH vom „engen Verwendungsbegriff“ wurde Rechtssicherheit geschaffen, da sich im Rahmen des „weiten Verwendungsbegriffs“ oft Schwierigkeiten bei der Abgrenzung zwischen Verbesserung und grundlegender Veränderung des Grundstücks ergaben.
Für die Familie ist der Rechtsstreit mit dem Urteil zwar noch nicht vorbei, da der Wert des Hauses noch ermittelt werden muss. Trotz dessen ist das Urteil des BGH ein wichtiger Etappensieg für die Familie, die das Haus so lange behalten darf, bis ihr die Baukosten erstattet werden.
Dr. Bettina Schacht
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Erbrecht
Fachanwältin für Handels- und Gesellschaftsrecht
Zert. Testamentsvollstreckerin
Mediatorin
